Inhalt / Kritik
Seit er mitansehen musste, wie Wehrmachtssoldaten seine Frau und seinen Sohn auf grausame Weise umbrachten, gibt es für Stan (Koen De Bouw) nur noch den Gedanken an Rache. Mit einer Gruppe von Widerstandskämpfern, zu der auch seine Tochter Nadine (Ella-June Henrad) gehört, vor der er die Wahrheit über deren Mutter und Bruder bisher geheim gehalten hat, stellt er der Wehrmacht immer wieder Fallen und nimmt jene Missionen an, die sonst kein anderer annimmt. Mit der Zeit hat die Truppe sich einen gewissen Ruf bei der französischen wie auch der britischen Armee erarbeitet, welche die Taten der Männer, besonders ihre brutalen Methoden, zwar verurteilen, aber auch auf sie angewiesen ist. Eben wegen ihres Rufes sollen Stan und seine Truppe einen Auftrag übernehmen, ein Himmelfahrtskommando, wie man ihnen sagt, bei dem sie ein U-Boot mit einer Ladung Uran vom Kongo bis an die US-amerikanische Küste bringen sollen. In nur drei Wochen sollen die Männer den Umgang mit dem U-Boot lernen, unter der Leitung des Kriegsgefangenen Franz Jäger (Thure Riefenstein), einem Kapitänleutnant, was besonders Stan gar nicht gefällt. Jedoch haben Stans Männer für Animositäten keine Zeit, denn schon bald stehen sie unter deutschem Beschuss. Mit nur wenig Erfahrung versuchen sie sich einen Weg durch die von der Wehrmacht überwachte See zu bahnen, was aber nicht nur sehr viele Nerven kostet, sondern ihnen auch Opfer abverlangt. Hoffnungslos unterlegen verstehen die Männer nun, warum es sich bei der Mission um ein Selbstmordkommando handelt, doch deswegen aufzugeben, kommt für die auch nicht infrage.
Eine Mission für Verrückte
Mit seinem ersten Spielfilm U-235 – Abtauchen, um zu überleben traut sich der belgische Regisseur und Drehbuchautor Sven Huybrechts in das Genre des Kriegsfilms vor. Diese erzählt eine Geschichte über eine bunt gemischte Truppe von Männern, wie der Krieg sie geprägt hat und dieser sie immer wieder einholt. Huybrechts verweist nicht nur auf Werke wie Inglourious Basterds oder Das Boot, sondern zudem auf die Opfer, die der Krieg fordert, wobei U-235 einen gewissen B-movie nicht verhehlen kann, welcher der Geschichte aber auch bisweilen ganz guttut.
Schon alleine die ersten Minuten von U-235 betonen deutlich, um was für eine Art von Kriegsfilm es sich hier handelt. Um den Transport einer Munitionslieferung an die Front zu verhindern, ist der Truppe um Stan keine List zu abwegig, um nicht nur die Ladung zu zerstören, sondern gleichzeitig allen Soldaten und Offizieren der Wehrmacht den Garaus zu machen. Ein Überlebender, von dem sich ihre Auftraggeber Informationen über Truppenbewegungen erhoffen, wird auf brutale Weise umgebracht, was gleichzeitig ein Zeichen der absoluten Respektlosigkeit und des Ungehorsams dieser Männer ist, die sich außerhalb der Ordnung sehen. Stan, wie auch der Rest seiner Truppe, scheint keinen Zweifel daran zu haben, dass sie das notwendige Übel sind, was ihnen auch den Spitznamen „die Verrückten“ eingebracht hat.
Ähnlich der Truppe rund um Brad Pitts Aldo Raine vereint sich unter den Männern jene Mentalität der Rache, der Loyalität füreinander aber auch der Lust in diesen dreckigen Krieg zu ziehen, den sie beschlossen haben mit ihren Guerilla-Methoden zu kämpfen, jenseits der rigiden Ordnung der Armee.
Ein verschwendetes Talent
Jedoch wechselt Huybrechts Film schnell den Handlungsort und versetzt seine Charaktere in die klaustrophobische Enge des Unterseeboots. Nicht nur ist dies der ultimative Test für die Männer, für ihr Improvisationstalent wie auch ihr taktisches Geschick, es ist auch eine intensive Begegnung mit dem Krieg, vor dem es nun kein Entrinnen mehr gibt, der nun noch bedrohlicher scheint, da man den Feind nicht mehr sehen kann, ist dieser höchstens noch repräsentiert durch das Geräusch des Ortungsgeräts und des Einschlags eines Torpedo. Innerhalb dieser Umgebung lässt Huybrechts zudem mit Stan und Jäger zwei sehr interessante Charaktere aufeinandertreffen, beide geprägt von den Verlusten in der eigenen Familie und einem Trauma, was keiner von ihnen bislang verarbeitet hat.
Auch aus technischer Sicht ist dieser Teil des Films der wohl gelungenste, verstehen es Huybrechts und sein Kamerateam die Enge des Raums zu nutzen, ein Gefühl der ständigen Anspannung zu erschaffen, was in seinen besten Momenten tatsächlich Erinnerungen hochkommen lässt an Wolfgang Petersens Klassiker.
Credits
OT: „Torpedo“
Land: Belgien
Jahr: 2019
Regie: Sven Huybrechts
Drehbuch: Sven Huybrechts, Johan Horemans
Musik: Hannes De Maeyer
Kamera: Danny Elsen, Robrecht Heyvaert, Kobe Van Steenberghe
Besetzung: Koen De Bouw, Thure Riefenstein, Ella-June Henrad, Joren Seldeslachts, Sven De Ridder, Stefan Perceval, Bert Haelvoet
Interview
Wie waren die Dreharbeiten in dem U-Boot? Und was macht die Figur des deutschen Kriegsgefangenen aus? Diese und weitere Fragen haben wir Schauspieler Thure Riefenstein in unserem Interview zu U-235 gestellt.
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